„Alles, worüber wir klagen mögen, erscheint klein gegen das Schicksal, das diese Menschen erleiden. Sollte Herr Putin glauben, dass er Europa mit seinen Angriffen auf die Zivilbevölkerung in der Ukraine spalten kann, dann ist er einem Irrtum erlegen. Er bringt uns nur enger zusammen. Wir werden unserer Verantwortung gerecht werden“, sagte Oberbürgermeister Frank Meyer am 15. März beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft in Krefeld. Bislang sind rund 1000 Geflüchtete aus der Ukraine in Krefeld angekommen. Das Gros ist privat bei Familie, Freunden oder Hilfsunterstützern untergekommen, 375 Personen wurden von der Stadt untergebracht. Nadine Wahle hat Julia (22) mit ihrem Hund (Zerfir- ein Chihuahua) aus Dnipro/Ukraine bei sich in ihrem Haus in Hüls aufgenommen. Angeboten hat sie das Gästezimmer in einer Gruppe auf Facebook. Nach kurzem Aufenthalt bei Freundin Ira, in einem Düsseldorfer Studentenwohnheim, kam Julia am 11. März nach Hüls. Mit den Töchtern von Nadine Wahl, Helen (15) und Olivia (18) verstand sich Julia auf Anhieb. Auch die beiden Hunde der Familie Wahle harmonierten mit Julias Hund Zerfir. Wie lange sie bleiben wird, weiß noch keiner. „Sie darf bleiben, solange es nötig ist“, so die 44-jährige Oberstudienrätin. Julia ist der englischen, französischen, russischen, ukrainischen und chinesischen Sprache mächtig. Verständigt wird sich bei Familie Wahle mit Julia auf englisch. Julia fasst täglich mehr Vertrauen in ihre Gastfamilie und schildert so langsam ihre Eindrücke aus dem Kriegsgebiet. „Sie hat einiges erlebt, einige Geschichten kommen so langsam ans Tageslicht. Julia ist rastlos und traurig zugleich. Ein Satz, der mich sehr berührt hat: `Ich hätte nie vor vier Wochen gedacht, dass ich mein zu Hause verlassen muss und schon gar nicht, weil Krieg ist!´“, so Nadine Wahle über Julia. Das erste Wochenende bei Sonnenschein hat Familie Wahle mit Julia dazu genutzt, Sushi essen zu gehen, eine kostenfreie SIM-Karte bei einem Mobilfunkhersteller zu holen, eine Radtour zu machen und gemeinsam zu kochen. „Sie hilft im Haushalt, spielt viel mit den Hunden, hört Musik, kocht, isst und chillt, was man an so einem Wochenende halt so macht“, so Nadine Wahle. Julia ist an einer chinesischen Universität eingeschrieben. Von Hüls aus kann sie nahtlos ihr Studium online weiterführen. Als Julia die ukrainische Flagge am Kirchturm von St. Cyriakus gesehen hat, kam große Freude bei ihr auf. „Meine Tochter Olivia hat Julia die große Trina-Figur auf der Tönisberger Straße gezeigt. Die fand sie gruselig. Die Figur hat sie an Putin erinnert, aber Olivia hat ihr dann erklärt, was eine Trina ist und für Hüls bedeutet“, so schmunzelnd Nadine Wahle im Gespräch mit HÜLS life. Auf die Frage nach nötiger Unterstützung sagt die zweifache Mutter: „Momentan sind wir gut versorgt. Mein Telefon steht nicht still, jeder möchte uns unterstützen. Ich fühle mich mit der neuen Verantwortung nicht alleine, sondern von meinen Freunden, meiner Familie, Nachbarn und Kollegen getragen.“ Wer ebenfalls ein Zimmer zu vergeben hat, kann sich mit seinem Angebot per Mail an fluechtlinge@krefeld.de wenden. Parallel prüft die Stadt Standorte für Wohncontainer, etwa am Sportplatz Reepenweg, sowie die Anmietung weiterer Wohnungen und Gewerbeimmobilien. (red/tob).