Pünktlich um 16 Uhr ist es am 5. Dezember wieder soweit. Der Nikolaus steigt gemeinsam mit seinen Begleitern Nikodemus und Zarras vom Hülser Kirchturm herunter und verteilt anschließend Weckmänner an die wartende Kinderschar zwischen Quartel- und Hülser Markt. Eine alljährlich stattfindende Tradition, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Ermöglicht wird das Spektakel rund um den katholischen Heiligen von der Hülser Kolpingsfamilie, die von Bodo Brands als 1. Vorsitzendem geleitet wird. 

Ende November fangen die Vorbereitungen für das Hülser Nikolausfest am 5. Dezember an. Emsig schaffen die Mitglieder der Kolping Familie alle benötigten Dekorationsartikel herbei, um den Festwagen mit Stoffen, Tannenzweigen und Leuchten zu verzieren. Auch die rund 1000 zu verteilenden Weckmänner dürfen auf dem Festwagen nicht fehlen. Vor der Verzierung wird auf das 2,5 x 6 Meter große Fahrgestell der eigentliche Festwagenbau aufgesetzt. Das Fahrkonstrukt wird auf dem Hof eines Hülser Landwirten aufbewahrt. Der gesamte Aufbau dauert je nach Anzahl der unterstützenden Hände mehrere Stunden. „Im Jahr 1970 wurde der Festwagen erstmals von einem Traktor gezogen, davor zogen den Wagen vier, später zwei Pferde“, so ein Blick von Bodo Brands aus der Historie.

Der kurze Nikolausumzug von der St. Cyriakus Kirche bis zum Rathaus

sowie das zuvor traditionelle Erscheinen des katholischen Heiligen auf dem Kirchturm ist in Hüls eine altbekannte Tradition. 1923 erschien nachweislich Nikolaus erstmalig auf dem Hülser Kirchenplateau, ab 1946 ließ er erstmals einen Gabensack herunter. Ermöglicht wird das Gesamtspektakel seither von der Kolpingsfamilie, die unter dem damaligen Namen katholischer Gesellenverein den Grundstein der Tradition setzte. „Bis auf einige Jahre während der NS-Herrschaft und in den Jahren 2020 und 2021 der Pandemie konnte diese Tradition alljährlich stattfinden. Zwar haben sich über die Jahre immer wieder ein paar Kleinigkeiten geändert, aber im Großen und Ganzen ist das meiste gleichgeblieben“, erklärt Bodo Brands.

Eine Hülser Besonderheit des Nikolausbrauchs ist, dass dem katholischen Bischof seit 1931 ein Helfer zur Seite steht. Historisch korrekt ist die gemeinsame Kooperation von Nikolaus und Nikodemus nicht, da beide historische Persönlichkeiten zu völlig anderen Zeiten lebten. Woher der Brauch des Helfers Nikodemus stammt ist bis heute ungewiss. Vermutlich hat man Nikolaus einen Helfer zur Seite stellen wollen und nach einer Persönlichkeit gesucht, die

eine gewisse Namensähnlichkeit aufweist. Neben dem farblichen Unterschied der Gewänder – Nikolaus ist in rot gekleidet, während Nikodemus ein lilafarbenes Gewand anhat – ist auf die Mitra des Nikolaus´ ein Kreuz gestickt. Nikodemus hat lediglich einen Strich als Verzierung auf seiner Kopfbedeckung. 

Seit 1999 werden der katholische Bischof von Reinhard Bexkens (52) und sein treuer Begleiter von Jörg Jäger (66) gespielt. Schrecken aller nicht braven Kinder ist der Zarras, in dessen Rolle Carina Draken (33) seit 14 Jahren schlüpft. Sein Aussehen, die gebündelte Weidenrute und die silberne Kette sollen aber keine Angst, sondern viel mehr Respekt voreinander bewirken. Das weiß und sagt aus langjähriger Erfahrung Grundschullehrerin Carina Draken: “Die Aufgabe des Zaras hat sich, wie alle Berufsbilder, in der modernen Zeit positiv geändert. Ängste müssen nicht sein. Kinder sollen nicht weinen. Die älteren Jungen reagieren meist cool!” (red/tob) Foto: Andreas Bischof

Kurioses in 100 Jahren

Im Jahr 1957 fiel der Gabensack von der Kirchturmgalerie herunter, verletzt wurde zum Glück keiner.

In einem Jahr drehte Nikolaus oben auf dem Plateau noch seine Runden, während unten sein Mitstreiter schon die Kirche verlies. 

Im Jahr 2022 musste der Garbensack mit der Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr Hüls herunter geholt werden, da sich das Seil verfing. 

Der Ablauf des Nikolausabend in Kurzform

Um Punkt 16 Uhr läuten die Glocken von St. Cyriakus. Nach einem kurzen Rundlauf mit zahlreichem Winken auf dem Plateau der Kirche lassen die drei Darsteller mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr einen symbolischen Gabensack zu den wartenden Kindern herab. In Begleitung des Musikzuges der KKG Nette Stölle Jonges fahren die Darsteller anschließend auf einem Prunkwagen über den Marktplatz zum Hülser Rathaus. Während der rund 300 Meter langen Fahrt werfen sie mit Hilfe der Mitglieder der Kolpingfamilie Hüls den begeisterten Kindern rund 1000 Weckmänner zu. Am Rathaus angekommen, wird der Festwagen in diesem Jahr vom Hülser Bezirksvorsteher Thorsten Hansen und vom Bürgermeister der Stadt Krefeld, Timo Kühn, in Empfang genommen. Einige Kinder dürfen dort dann dem Nikolaus ein Gedicht vortragen. Im Nachgang des rund 90-minütigen Spektakels besuchen die Darsteller unter dem sozialen Aspekt Patienten im Helios Cäcilien Hospital Hüls und Bewohner einer örtlichen Senioreneinrichtung. (tob)

Im Jahr 1970 wurde der Festwagen erstmals von einem Traktor gezogen, davor zogen vier, später zwei Pferde den Wagen. Foto: Kolpingsfamilie

Heinz Lichtenberg war der Vorgänger des aktuellen Nikolaus Reinhard Bexkens. Foto: Kolpingfamilie