Der Deutsche an sich, der meckert ja gerne. Da erwische ich mich auch immer wieder bei, denn dat ist in Hüls nicht anders als auf Sylt, in München, Frankfurt oder Neustadt an der Weinstraße. Deutsche finden immer wat, mit dem man unzufrieden sein kann. Habt ihr denn heute eigentlich schon gemeckert? Zum Beispiel über fehlende Schwimmbäder und Bolzplätze in Hüls, darüber dat man auf dem neuen Bubbel-Maat ja gar nicht in Ruhe bubbeln konnte, weil die moderne Musik zum Bubbeln ja viel zu laut war. Über die Schlaglöcher auf Krefelds Straßen oder über das Versagen der Ampel-Regierung, über Heizungsgesetze, Besteuerung von Agrar-Diesel, dat Wetter, die Inflation, den Nachbarn, oder darüber dat et ja nun wirklich nicht geht, dat der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Migrationshintergrund hat und dann spielt der auch noch so gut. Dat jeht ja mal gar nicht. 


Worum es auch immer geht – Deutsche finden stets einen Grund, die Stirn zu runzeln und sich in ausgiebige Meckerei zu stürzen. Die Straßen sind zu voll, die Züge sind zu spät, und Politiker sind sowieso an allem schuld. Man könnte fast meinen, dass das Meckern den Deutschen Freude bereitet – ja, dass sie es gar brauchen wie täglich Brot. Ohne eine gepflegte Beschwerde am Tag fühlt sich der gemeine Deutsche einfach nicht komplett. 
Und so ist die deutsche Meckerfreude dann auch grundlegendes soziales Bindemittel unserer Gesellschaft. Nichts verbindet mehr als gemeinsames Nörgeln. 

Trifft man auf jemanden, der ebenso genervt ist von den penetranten Typen, die einem ständig an der eigenen Haustür irgendetwas zu Mondpreisen schmackhaft machen wollen, dann ist man sofort auf einer Wellenlänge. Man tauscht sich munter aus über die kleinen im schön geharkten Steinvorgarten steckenden Schildchen, die mittlerweile davon zeugen, dass der Nachbar sich hat bequatschen lassen und „dabei“ ist, so lange bis man gemeinsam auf 180 ist und so entstehen dann tatsächlich Allianzen und gar Freundschaften, die auf einem Fundament aus gemeinsamer Unzufriedenheit und kollektiver Empörung basieren. Deutscher geht et gar nicht mehr.

Und dann hat das Meckern auch ja auch seine feinen Nuancen. Da gibt es das höfliche “Ja, aber…”-Meckern, das spitze “So geht dat aber nicht!”-Meckern und das resignierte “Typisch, war ja klar”-Meckern. Jeder Deutsche hat sein eigenes Arsenal an Meckertechniken, fein abgestimmt und je nach Anlass variabel einsetzbar. Und wer jetzt denkt, dass Deutsche zumindest im Urlaub mal auf dat Meckern verzichten, der irrt sich gewaltig. Bald geht et ja in den Ferien wieder los. Dann wird beim Abflug nach Mallorca darüber geschimpft, wie ein Inlandsflug denn so teuer sein kann. Und wenn man angekommen ist, wird erstmal das Buffet kritisiert, der Kaffeestand bemängelt und dass die All-Inclusive Getränke alle viel zu warm sind. Scheiß Klimawandel, warum machen die in Brüssel denn nix dagegen? Egal wo et hin geht, echte Deutsche packen mindestens genauso viele Meckereien wie frische Schlüpfer mit in den Koffer.

Dabei könnte man auf so mancher Reise doch ganz wunderbar sehen, dat et bei uns zuhause in Good-Old-Germany gar nicht so schlecht läuft wie alle tun. Das fängt schon damit an, dass man sein Land ganz ohne Probleme verlassen kann und darf, dass man sich Reisen überhaupt leisten kann, dass es in Deutschland zum Beispiel ein funktionierendes Pfand-System gibt, während in anderen Ländern Getränke fast ausschließlich in Wegwerf-Plastikflaschen verkauft werden und dass diejenigen Arbeitnehmer, die mir diese Flaschen in anderen Ländern verkaufen, vielleicht gar nicht krankenversichert sind und wahrscheinlich deshalb eine so wenig gepflegte Kauleiste im Gesicht tragen, weil ihnen den Besuch beim Zahnarzt kein System vergünstigt. Die können sich gar nicht darüber aufregen, dass sie keinen Termin beim Arzt bekommen, weil dieser mit ihrem regionalen Verdienst gar nicht zu bezahlen ist.

Ich denk dann immer, das Meckern in unserer Heimat ist tatsächlich eins auf hohem Niveau – wir Deutsche haben sicherlich auch Probleme und es gibt bei uns bestimmt genug Sorgen, aber vergleicht man mal bewusst mit andernorts, dann können wir uns in Summe nicht beschweren.

Aber so sind wir eben – manchmal kommt man als Deutscher einfach nicht drum rum, dass gemeckert werden muss, manchmal tut es ja sogar gut und ist befreiend, doch genauso oft bringt et aber eh nix und man regt sich über Probleme auf, die sie andernorts gerne hätten. Und weil ich genau weiß, dass ich das selbst ganz ausgezeichnet kann, versuche ich demnächst einfach mal zu schauen, wann sich Meckern wirklich lohnt und schaue auch mal auf andere Orte. 

Zurzeit nehme ich mir einfach ein Beispiel an den Schotten, die gerade bei der Fußball-EM in den meisten Spielen die Hosen bzw. Röcke ausgezogen bekommen haben, aber trotzdem froh waren, dass sie überhaupt dabei waren und mal endlich vernünftiges Bier trinken konnten – das ist neben dem Meckern nämlich auch typisch Deutsch! In diesem Sinne – Prost!

Euer Breetlooksman 

Stefan Erlenwein