Kinder und Kröten sind gar nicht so verschieden wie der gemeine Hülser so denkt. Nein, sie haben vieles gemeinsam. So zum Beispiel beim Essverhalten – Kröten und Frösche fangen dabei ihre Beute in der Regel mit einem blitzschnellen Zungenschnapp, ganz genauso wie Kinder, wenn man die Tüte mit Gummibärchen nur für eine Sekunde aus den Augen lässt. Zack! Und die Leckereien sind schneller weg als wie man gucken kann. Auch bei der Lautstärke sind sich beide sehr ähnlich. Ein Froschteich in der Paarungszeit kann nämlich ganz locker mit dem Lärmpegel einer Kindergeburtstagsparty von 6-jährigen mithalten. Und ich weiß, wovon ich rede. Ich habe lang genug am Kindergarten An de Dreew gewohnt, wo morgens zunächst die Massen an Elterntaxis kamen, hielten, wendeten und wieder fuhren, dann die süßen Kleinen ihre Zukunftsmusik namens Kinderlärm verbreiteten (wie schön) und abends gab es dann von der anderen Seite das Froschkonzert aus dem großen Teich eines namentlich nicht zu nennenden Bewohners des Brusterts. Lärmtechnisch quasi den ganzen Tag in die Zange genommen und bei beiden Lärmquellen ist es gleich: falls man denkt, es wird irgendwann leiser – nein, wird es nicht.
Dann sind beide Spezies auch gerne nachtaktiv – des Abends werden Frösche unglaublich agil und lebhaft in ihren Teichen und Pfützen. Ganz genau wie Kinder, wenn sie eigentlich ins Bett sollen. Dann sind sie voller Energie und haben noch „so viele wichtige Fragen“ und können auf einmal perfekt diskutieren und … Zeit schinden.
Und schließlich gibt es auch bei der Fortbewegung erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen unseren kleinen zweibeinigen Zöglingen und der Krötenschar! Ein Frosch hüpft von Stein zu Stein – ein Kind springt zuhaus von Sofa zu Sofa. Aber auch in freier Wildbahn kann man erstaunliche Gemeinsamkeiten entdecken. So hüpfen Kröten fröhlich aber gemütlich durch die Gegend, manchmal sogar mit einem Artgenossen im Huckepack, und Kinder tun es ihnen gerne gleich – gern auch mal in Straßennähe. Dabei sind sie unberechenbar und tauchen meistens dort auf, wo man sie gerade nicht erwartet. Für Verkehrsteilnehmer natürlich ein Übel, dem man nur ungern begegnen will, weil es stets Verzögerung oder Umweg bedeuten könnte.
Und doch fällt hierbei auf, es ist eben nicht alles gleich. Nein, man kann noch nicht einmal von Gleichbehandlung sprechen, denn es scheint doch nachweislich einen VIP-Status für Kröten zu geben, wird für sie doch gerne mehrmals im Jahr der halbe Straßenverkehr lahmgelegt. Mit Tempo 30, nächtlichen Straßensperren bis in die Morgenstunden hinein, mit Hindernissen am Straßenrand, damit bloß kein Exemplar unachtsam auf die Straße hüpft und andernorts bekommen sie gar extra Tunnel, um sicher von A nach B zu kommen! Kindern geht es da scheinbar anders. Auch sie wandern zwar morgens in der Dämmerung in Scharen über Straßen wie den Steeger Dyk, mehr als eine Handvoll ehrenwerter Freiwillige der Schülerlotsen in Warnwesten ist aber bisher nicht drin gewesen. Da es sich hier, aus Zeitgründen, auch oft um etwas betagtere Damen und Herren handelt, kann natürlich auch nicht verlangt werden, dass man die Kinder zunächst am Straßenrand sammelt und ihnen dann wie den Kröten „der Arsch in Eimern“ sicher über die Straße trägt. Das muss man vom Schülerlotsen-Team bei ihrer tollen Arbeit nun wirklich nicht verlangen.
Stattdessen mussten Eltern jahrelang für eine sichere Verkehrssituation am Steeger Dyk kämpfen. Dabei Umfragen für Zebrastreifen, Hinweisschilder und Tempolimit machen und Briefe an Presse und Ämter schreiben! Mehr als eine paar ruckelnde Rillen auf der Fahrbahn von Seiten der Stadt waren aber nicht drin. Dabei hätte man sich die Ruckelrillen auch sparen können, ruckeln tut die Straßendecke des Steegerdyks doch von ganz alleine. Wegen der Vorbehaltsstraße hatte die Stadt bei allen anderen Maßnahmen aber Vorbehalte.
Bis jetzt! Und wem ist es zu verdanken? Natürlich den Art- … pardon, Leidensgenossen der Kinder, den Kröten. Wieder einmal bekamen sie für ihre Wanderung ein Tempolimit ohne Vorbehalte auf dem Silbertablett serviert, so dass sie sicher ihrem Treiben nachgehen konnten. Diesmal fiel es aber jemandem auf, so dass der Oberbürgermeister höchstpersönlich eingriff, um die längst fällige Reform beim Überqueren des Steegerdyks herbeizuführen. Man könnte meinen, es wäre Wahlkampf oder es sind dabei ein paar Kröten in die richtige Tasche gewandert. Man weiß es nicht. Wahrscheinlich war da doch der drohende öffentliche Druck übers Fernsehen Ausschlaggeber. Ist auch egal! Hauptsache der Weg wird sicherer auch für die, die nur mit zwei Beinen über die Straße hüpfen.
In diesem Sinne – macht’s euch nett, und passt trotz Tempolimits gut am Morgen und am Abend auf die Straße auf. Noch ist es dunkel und mal will ja nicht, dass einem ein kleines, possierliches Lebewesen vor die Haube hüpft, ganz gleich ob zwei oder vier Beine!
Euer Breetlooksman
Stefan Erlenwein