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„Latte sprachlos“

Haben Sie davon schon mal gehört: „Latte sprachlos“? Dat is jedenfalls keine neue Kaffeesorte, empfohlen von einer Barista, die sich ihren Lebenstraum erfüllen wollte, ein kleines Eckcafé eröffnet hat und wir Niederrheiner erst mal stutzen beim Begriff „Barista“. Genauso wie wir auch de Augen verdrehen, wenn‘s an Karneval plötzlich „Krapfen“ geben soll statt Berliner. Oder uns jemand „Stullen“ andrehen will, wo wir hier im Westen doch von Butterbrot und am Niederrhein sogar von Bütterken sprechen. Dat machen wir ja im Urlaub auch nich‘, dat wir dem griechischen Kellner auf Rhodos versuchen beibringen, dat er beim nächsten Mal besser „Frikadellen“ auf die Karte schreibt und nicht mehr „Bifteki“.   

Nee, „Latte sprachlos“ ist ein Getränk, das nicht nur ohne große Worte genossen wird, sondern überhaupt „ohne Worte“ auf dem Tisch steht. In diesem Falle bestellt von einem Pärchen, das sich im Café getroffen hat und jetzt einfach nur so dasitzt. Nur da sitzt. Das kennt man ja auch von Pärchen im Restaurant oder im Urlaub. Sitzen nur da, vor ihrem Getränk, gucken sich an… und im nächsten Moment quasi an den Ohren vorbei. Dann gucken sie mal nach rechts, und dann gucken sie auch mal nach links. Pause. 

Plötzlich ein Ton

Jetzt gucken beide auf ihr Smartphone. Gucken kurz in die auf dem Tisch liegende Getränkekarte. Gucken wieder auf ihr Smartphone. Gucken auf ihr Latte-Glas. Da: plötzlich ein Ton! Sollte es der Beginn einer Konversation werden?! „Mega lecker“, sagt sie und lächelt. Wieder Pause. War et dat? Er antwortet mit einem zustimmenden „Mh-hm“. Sie macht einen Instagram-Post von ihrer „Latte sprachlos“. Er guckt aus dem Fenster. Es plingt. Sie grinst in ihr Smartphone, hält es ihm zum Lesen vors Gesicht: „Habt einen superschönen Taa…haag“ postet „die Sanne“ unter dem „Latte sprachlos“-Bild. Ich kann‘s zufällig mitlesen, sitze quasi kabarettistisch genau richtig. Wieder eine Pause. Am Schluss höre ich noch „stimmt so“ und „war schön“, gefolgt von „Ciao-ih“. 

Nur mal unter uns: Wir melden uns an für teure Entspannungs-Yoga-Kurse oder ähnliches. Dabei kann „sich nichts zu sagen haben“ so preiswert sein. Kostet nur eine „Latte sprachlos“ im netten Umfeld. 
Ich wünsche Ihnen einen „megaschönen Taahaag“.
Machen Sie et jut!


Ihr Stefan Verhasselt 

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Foto: Simon Erath | Illustrationen: Jürgen „Moses“ Pankarz